Saskia Esken im Gespräch mit der BVMW-Mittelstandsallianz

» Artikel veröffentlicht am 26.04.21, von

„Frust der BundesbürgerInnen und des Mittelstands ist nachvollziehbar“

Die Vertreterinnen und Vertreter der Mittelstandsallianz trafen sich mit der Bundesvorsitzenden der SPD, Saskia Esken, zum digitalen Austausch. Diskutiert wurden Fragen der Digitalisierung, aktuelle politische Entscheidungen der Bundesregierung sowie weitere Themen, die den deutschen Mittelstand derzeit beschäftigen.

In ihren Ausführungen zu Beginn des Gesprächs erläuterte Saskia Esken, dass der Frust der BundesbürgerInnen und des Mittelstands über die politische Bewältigung der Corona-Krise nachvollziehbar ist, welchen Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des BVMW, in seiner Begrüßung deutlich machte. Es herrsche zunehmend Unverständnis in der Bevölkerung bezüglich verabschiedeter Maßnahmen und Wegen der politischen Entscheidungsfindung in der aktuellen Krise. Aus diesem Grund muss der Bund jetzt für klare und einheitliche Regelungen und damit gleiche Lebensverhältnisse in ganz Deutschland sorgen. Der dramatischen Entwicklung der Inzidenzen muss endlich Einhalt geboten werden, damit langfristige Erkrankungen verhindert werden können. Trotz der Kritik aus der Wirtschaft, hält sie eine Testangebotspflicht für notwendig. Für diese müssen aber genügend Tests vorhanden sein und ein Nachsteuern seitens der Bundesregierung ist notwendig, wenn das nicht der Fall ist. Auch in der Impfstoffbeschaffung sind Fehler gemacht worden, so Esken. Es war aber kein Fehler, in europäischer Solidarität zu bestellen.

Die SPD-Vorsitzende betonte, dass alle Akteure in der aktuellen Situation dazu lernen und sich stetig in der Krisen- und Pandemiebewältigung weiterentwickeln. Sie hält die Neuordnung der Gesundheitsverwaltung für ein entscheidendes Thema. Als Beispiel nennt sie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Flüchtlingskrise 2015, welches jetzt, nach Ihren Aussagen, zu den modernsten Behörden überhaupt gehört. Die Gesellschaft steht vor mehreren Jahrhundertaufgaben, zu denen die Bewältigung des Klimawandels oder die Gestaltung des digitalen Wandels gehören. Hier fordert sie, dass der Staat eine starke Rolle übernehmen muss.

In der anschließenden Diskussion mit den Partnerverbänden der Mittelstandsallianz, zog Marco Junk vom Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (BVDW) einen hypothetischen Vergleich zu einer Pandemie im Jahr 1995. Seitdem hätte es einen starken digitalen Wandel in den Unternehmen gegeben, die Verwaltung hin[1]gegen hat sich organisatorisch und technologisch nicht weiterentwickelt und kommuniziert beispielweise immer noch mit Faxgeräten. Er stellte in diesem Zusammenhang die Frage, wie die erforderliche Reformierung und Digitalisierung der deutschen Verwaltung angegangen werden soll, wenn keiner Verantwortung abgeben möchte und die Digitalisierung der letzten 20 Jahre verschlafen worden ist.

Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation e.V. (BREKO), thematisierte, dass dies entscheidende Tage für die Entwicklung der digitalen Infrastruktur in Deutschland sind. Das Telekommunikationsgesetz wird aktuell überarbeitet und dem Bundestag zur Lesung vorgelegt. Dies ist die letzte große gesetzgeberische Weichenstellung für den Glasfaserbau in Deutschland. Hierbei appelliert er an Frau Esken, dass lange Übergangsfristen bei der Umlagefähigkeit des Breitbandanschlusses nicht stattfinden dürfen.

Gerhard Wächter, Präsident der European Association for Training Organisation e.V. (eato) verdeutlichte, dass eine digitale Fortbildung von LehrerInnen stattfinden muss, gerade bei Lehrkräften, die noch ca. 20 Jahre im Beruf arbeiten müssen. Bei angehenden LehrerInnen ist er diesbezüglich weniger besorgt, da sie jetzt schon viel Input in der Onlinelehre im Studium erhalten. Sein Verband hat in letzter Zeit sehr viel in die Fortbildung von Lehrenden und Trainern investiert, gleiches müssen staatliche Institutionen ebenfalls tun.

Jan Jagemann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für selbständige Wissensarbeit e.V., verdeutlichte, dass aus Soloselbstständigkeit häufig auch kleinere Unternehmen entstehen und die Debatte um die Soloselbständigkeit aufgrund nicht-exemplarischer Beispiele aus bestimmten Branchen zu häufig negativ geprägt ist. Politisch dürfe man nicht den Fehler machen, Selbstständigkeit als atypische Form der Beschäftigung zu diskreditieren.

Der Geschäftsführer des Bundesverband Taxi & Mietwagen e.V., Michael Oppermann, verwies auf Ankündigungen des Vizekanzlers zu Beginn der Krise, die „kleinen Leute“ nicht zu vergessen. Der Eindruck auf der Straße ist vielerorts aber ein anderer. Er wünscht sich keine Bundesnotbremse, sondern vielmehr ein „Bundesgaspedal“, das Digitalisierung, Innovation und Klimaschutz verbindet und spürbar voranbringt. Er kritisiert außerdem die europäischen Richtlinien, die die europäischen Mobilitätsplattformen deutlich stärker in ihrer Wettbewerbsfähigkeit einschränken, etwa im Vergleich zur US-amerikanischen Konkurrenz, wie Uber.

Markus Eppenich, Vizepräsident des Eigenheimerverband e.V., fragte Sakia Esken nach politischen Ideen der SPD, wodurch mehr Menschen in Wohneigentum kommen können. Wohneigentum zeigt sich nicht nur in der aktuellen Krise als stabile Absicherung gegen finanzielle Not, sondern gerade auch im Alter. Die Steigerung der Eigenheimerquote darf daher nicht aus den Augen verloren werden und die hierbei teils deutlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern müssen beseitigt werden.

Carina Brinkmann vom Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter e.V. (BVDA), kam auf die steigenden Kosten in der Zustelllogistikbranche zusprechen. Die Unternehmen haben Probleme, ihre digitalen Inhalte so zu vermarkten, dass sie sich weiter angemessen finanzieren können. Durch die Corona-Krise sind sehr starke Werberückgänge zu erkennen. Sie schlägt vor, die Digitalförderung auch als Corona-Soforthilfe auszuzahlen. Hier sehe das Bundeswirtschaftsministerium keine Probleme, wenn der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestag zustimmt. In der neuen Legislaturperiode müssen Zustellförderungen neu geplant werden, da das Print-Geschäft in Zukunft sein wesentliches Standbein verlieren wird.

Florian Seikel, Geschäftsführer der logistic-natives e.V., wies explizit darauf hin, dass das EU-Ecommerce-Paket eine Disruption des gesamten Handels zur Folge hat und es gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen eine große Gefahr bedeutet.

Ulrike Propach vom Patentverein e.V. thematisierte abschließend die aktuell diskutierten und teils beschlossenen, starken Veränderungen des Patentrechts. Ein Augenmerk muss dabei auf das EU-Einheitspatent („Unitary Patent“) gelegt werden. Dies muss in die politische Debatte mit aufgenommen werden.

Saskia Esken bedankte sich für den offenen und fruchtbaren Austausch mit den PartnerInnen der Mittelstandsallianz und betonte ihr Interesse an einer Fortführung des gemeinsamen Austauschs.

Quelle: www.bvmw.de

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