Umfrage bestätigt digitale Defizite in Krankenhaus-Organisationen

» Artikel veröffentlicht am 29.07.20, von

Krankenhäuser müssen gleichzeitig die (medizinische) Versorgung sichern, profitabel wirtschaften und widerstandsfähig gegen verschiedenste Risiken sein. Helfen können den hochkomplexen Organisationen dabei Industrie-4.0-Technologien. Der Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre von Prof. Dr. Stefan Smolnik an der FernUniversität in Hagen stellte mit einer Gap-Analyse (Gap meint hier Lücke) fest, dass sich die Wertschöpfung in Krankenhäusern durch Digitalisierung verbessern lässt. Insbesondere das Internet of Things, Big-Data- und Mobile-Health-Technologien können dazu beitragen, Effizienz und Flexibilität zu erhöhen.

Prof. Smolnik, Dr. Karolin Kappler und Florian Neft wollten wissen, wo die Fachleute deutscher Krankenhäuser die größten Potenziale sehen, um Mängel im Leistungsspektrum zu beheben. Ihre deutschlandweite Datenerhebung mit einer Online-Umfrage und Interviews im Jahr 2019 zeigte, dass sich die Krankenhäuser erheblich anstrengen müssen, um gleichzeitig Versorgungsqualität, Profitabilität und Risikoresistenz zu garantieren. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor.

Ausgangspunkt für die Untersuchung war die Masterarbeit von Florian Neft. Durch den FernUni-Absolventen ergaben sich Kontakte mit Verantwortlichen in Krankenhäusern, von kleinen privaten bis zu großen Universitätskliniken – vor allem Technischen Leiterinnen und Leitern, Managerinnen und Managern.

Mit der breit angelegten Studie, deren Ausgangspunkt die Masterarbeit von Florian Neft war, wurden vor allem die unterschiedlichen Potenziale unterstützender Technologien überprüft: Internet of Things, Big Data, mobile Endgeräte zur Gesundheitsüberwachung, Robotik, Virtuelle Realität und Analyseverfahren. Ebenso wie bei der Industrie 4.0 ging es um konkrete Technologien wie Wearables, vernetzte Kommunikationsendgeräte und Sensoren, mit denen die Effizienz im Krankenhaus gesteigert werden kann. Und darum, ob der „Dienstleister Krankenhaus“ die Erwartungen der Patientinnen und Patienten als seinen Kundinnen und Kunden erfüllt.

Die Evaluierung ergab, dass Mobile Health, Big Data und Internet of Things langfristig bei der Lösung der Probleme helfen und viele Wertschöpfungsprozesse verbessern können. Das gilt auch für Robotik, Virtual sowie Augmented Reality und Radio-Frequency Identification (RFID, „Identifizierung durch elektromagnetische Wellen“). Die größten Potenziale maßen die Fachleute vor Ort dem Internet of Things und Big Data zu: „Viele Krankenhäuser sind ja immer noch analog aufgestellt“, so Karolin Kappler. „Dass Ärztinnen und Ärzte Probleme haben, bei der Visite auf der Station Laborergebnisse einzusehen, weil die hausinternen Labore ihre ausgedruckten Berichte per Hauspost versenden, ist nicht mehr zeitgemäß.“

Große Hoffnungen werden auch auf die Weiterentwicklung zum „Smart-Krankenhaus“ gesetzt. So könnte an Schutz- oder andere Kleidung mit Sensoren gedacht werden, die feststellen, dass ein Kittel bakterien- oder virenbelastet ist. Kappler: „Automatische Informationen über Kontaminierungen sind nicht nur Corona-bedingt gefragt, Krankenhäuser haben ja durchaus sehr komplexe Hygienekonzepte und Probleme mit resistenten Keimen.“

Mit mehr Digitalisierung hoffen die Befragten einem der größten Probleme der Krankenhäuser abhelfen zu können: unzureichender Flexibilität. In den Interviews kam immer wieder heraus, dass vor allem kleine Krankenhäuser, aber auch die Universitätskliniken schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen können, im Notfallbereich schon bei zwei bis drei Schwerverletzten. Natürlich haben alle Krankenhäuser Pläne für eine größere Zahl von gleichzeitig eintreffenden Schwerverletzten oder gefährlich Infizierten. „Aber diese Flexibilität ist sehr begrenzt“, so Kappler. „Deshalb müssen sie sich mit Nachbar-Kliniken vernetzen.“

Die Interviewten wären froh, wenn ihnen die digitalen Technologien zur Verfügung stünden, welche die Industrie 4.0 für sehr schnelle „Nachfrageanpassungen“ nutzt. Denn auf die vielen vernetzten Dienste und Prozesse der Organisationseinheit Krankenhaus kann auch eine kurzfristige Bettenaufstockung – z.B. auf Intensivstationen – sehr schnell massive Auswirkungen haben: „Wenn man weiß, dass man eine bestimmte Zahl neuer Fälle hat und wenn man die Auswirkungen kennt, ist eine flexible Anpassung möglich. Man ist dann nicht mehr überrascht, dass mehr Sondermüll anfällt oder mehr Medikamente benötigt werden. Dafür sind eine Datenvernetzung und eine automatisierte Weitergabe genau dann notwendig, wenn irgendwo im Haus eine relevante Information entsteht.“ Doch gerade bei der Kommunikation, der Reaktionsfähigkeit auf z.B. Patientenzahländerungen, der Verwaltung sowie der IT-Ausstattung gibt es Defizite. Offensichtlich sind die genutzten Technologien oft veraltet und es fehlen Schnittstellen. Dann können weder die Bedürfnisse des Personals noch die der Patientinnen und Patienten erfüllt werden.

Zudem wird dieser Wandel hin zu mehr Digitalisierung nicht günstig. Die Lösungen sind oftmals kurzfristig mit hohen Kosten verbunden. Dennoch führen Zeitersparnisse, vermiedene Doppelarbeiten und die erhöhte Transparenz zu langfristigen sowie nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen.

Quelle: FernUniversität in Hagen

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