Chancen und Risiken für neue IT-Lösungen in der Pflege

» Artikel veröffentlicht am 30.01.15, von

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Zum Thema „IT-Prozesse in der Pflege – Chancen, Risiken und Nebenwirkungen“ diskutierten auf dem KKC-Stand auf der MEDICA 2014 der IT-Berater im Krankenhauswesen, Prof. Dr. Thomas Jäschke, und die Expertin aus dem Pflegebereich, Marie-Luise Müller, Ehrenpräsidentin des Deutschen Pflegerats. Beide waren sich einig, dass es Nachholbedarf an Informationstechnologie in der Pflege gibt.

 

Ein großes Potenzial sahen sie darin, dass IT-Systeme in den verschiedenen Abteilungen eines Krankenhauses aufeinander abgestimmt werden müssen. Alle Krankenhausbereiche müssten sich an einen Tisch setzen, die Bedarfe abstimmen, Schnittstellen definieren und sich zur Umsetzung des Plans verpflichten. „Der Pflegebereich in Krankenhäusern ist immer ein Stiefkind gewesen“, so Marie-Luise Müller. Von den maximal 3% seines Budgets, die ein Krankenhaus für IT-Investitionen ausgibt, seien die Gelder eher in Geräte zur Diagnostik, im OP etc. als in die Unterstützung der Pflege geflossen. Für viele Tätigkeiten der Pflege am Bett wie Messung des Pulses und der Temperatur gäbe es Geräte mit einer Schnittstelle zu IT-Systemen, die 1200 Euro und mehr kosten. Damit werde es für die Pflegeleitung schwer, eine solche Anschaffung durchzusetzen, laut Marie-Luise Müller. Aus ihrer Erfahrung als Pflegedirektorin in verschiedenen Häusern und ihrem ehrenamtlichen Engagement als Pflegepräsidentin und Vorsitzende des Kuratoriums Zentrum für Qualität in der Pflege in Berlin, weiß sie, dass die traditionelle Pflege heute immer noch eher als Kostenfaktor und nicht als Erlösfaktor betrachtet wird: „Es müsste in IT investiert werden, damit die Erlösseite dargestellt werden kann. Das System Score wurde eingeführt, aber aufgrund der hohen bürokratischen Hürden beteiligen sich viele Krankenhäuser nicht“. Dass Krankenhäuser wenig in IT investieren, weiß Thomas Jäschke aus seiner Tätigkeit als Inhaber von Jäschke Health Care Consulting: „Das IT-Budget einer Klinik liegt zwischen 2 bis 3 Prozent. Das ist die Hälfte des prozentualen Anteils in der Industrie.“ Ein Problem liege darin, den Return-on-investment (ROI) in der Pflege darzustellen, wenn der Schwerpunkt der Tätigkeit auf Beziehungsarbeit liege und die Arbeitsschritte nicht im System erfasst seien. Anfragen aus der Pflege zu IT-Lösungen habe er kaum erhalten. Im Bereich der Administration ist der Bedarf an IT-Lösungen am größten. Marie-Luise Müller schilderte als Beispiel eine aktuelle IT-Lösung für die Aufnahme und Entlassung von Patienten. Bei dieser Lösung sind Hausärzte, ambulante Pflegeeinrichtungen etc. mit eingebunden, so dass die Informationen wie Patientendaten und Arztbriefe gleich elektronisch weitergeleitet werden können. „Acht von zehn Hausärzten haben allerdings darum gebeten, ein Fax zu erhalten“, benennt Marie-Luise Müller die praktischen Schwierigkeiten. Ähnliche Reaktionen gab es bei ambulanten Pflegeeinrichtungen. Als eine Innovation hatte Thomas eine Swatch für den Pflegebereich auf den KKC-Stand mitgebracht. Die Pflegeexpertin hatte gleich zwei mögliche Anwendungsideen parat: eine App, mit der Fotos von Wunden gefertigt und an ein IT-System übertragen werden können, und eine App mit Zugriff auf die Hausapothekendaten einer Klinik. Eine Schwierigkeit im Kontext der Einführung von IT-Innovationen sieht die Ehrenpräsidentin des Deutschen Pflegerats darin, dass die Pflegekräfte heute überfordert seien. Da es 20% mehr Ärzte im System gäbe, aber nur 4,6% mehr Pflegekräfte, hätte sich das Verhältnis Ärzte zu Pflegepersonal gewandelt. Da es viel mehr Ärzte gäbe, müsse das Pflegepersonal wesentlich mehr Aufgabenabarbeiten. “Es muss ein Paradigmenwechsel stattfinden“, so Marie-Luise Müller, damit die Pflegekraft wieder mehr Zeit für ihre Kernaufgabe habe – nämlich ein Verhältnis zum Patienten aufzubauen. Dem pflichtete der IT-Berater und seit 2009 hauptberuflicher Lehrende der FOM Hochschule für Oekonomie & Management gGmbH bei. „Eine längere Kontaktzeit zwischen Patient und Pflegekraft sollte bei der Entwicklung von IT-Lösungen berücksichtigt werden. Wir sollten nicht nur an IT-Prozesse, sondern auch an das Umfeld denken.“

Als Ziel „mehr Zeit für das Wesentliche“ war das Stichwort, das Lothar Wienböker in seinem Schlusswort aufgriff. Er verwies auf das Angebot der KKC-Plattform: „Wenn wir mehr voneinander wissen, können wir gemeinsam Lösungen finden und konkrete Verabredungen treffen.“ Ganz getreu dem Motto des KKC „Kommunikation baut Brücken“.

 

Bericht von Jutta Witzel, mehrPerspektiven und KKC-Aktivteam

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