„Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten…

» Artikel veröffentlicht am 13.04.15, von

lothar-wienbökerverdoppelten wir die Anstrengungen.“ zitiert Lothar Wienböker, Geschäftsführer des KKC e.V. den bekannten Schriftsteller Mark Twain und kritisiert die überall um sich greifenden Verfahrensanweisungen und den Regelungseifer im Gesundheitswesen.

„Natürlich kann das Gesundheitswesen nicht ohne generelle Regeln funktionieren und jeder akzeptiert das. Aber ob alle Aktivitäten, die zurzeit zu beobachten sind, wirklich zielgerichtet sind, darf hinterfragt werden, meint Wienböker und erläutert:

Nachdem man nicht mehr um das goldene Kalb namens „Qualitätsmanagement“ tanzt, weil man jetzt mehr auf „Risikomanagement“ setzt, ist und bleibt die Kernfrage nach der Zielsetzung oft unbeantwortet.

Nehmen wir mal das Beispiel der Vorfahrtsregelung der Straßenverkehrsordnung, wo die Regeln “Organisation, Disposition und Improvisation“ klar erkennbar sind. Neben der Organisation, also der generellen Regelung „rechts vor links“, wird der sich kreuzende Verkehr bekanntlich durch Schilder oder Ampeln „fallweise“ geregelt. Diese Disposition wird aber angepasst, wenn sich die Verhältnisse ändern. „Improvisation“- also die Einzelfall-Regelung wird immer dann erforderlich, wenn Einsatzfahrzeige mit Sonderrechten den Vorrang haben.

Die Zielsetzungen sind verständlich, werden akzeptiert und sind allen bekannt. Jeder weiß, wann er Vorfahrt hat und wann er anderen den Vorrang zu gewähren hat oder sogar anhalten und den Weg freimachen muss.

Von den hehren Zielen „Qualitätssicherung““ oder „Risikobegrenzung“ ist hier nicht die Rede, sondern es geht um „Eindeutigkeit“ und „Konfliktvermeidung“.

Zurück zum Gesundheitswesen und den Zielen, die dort gelten sollten: Geht es den Verantwortlichen der Regelungswut wirklich immer darum, die Abläufe in Diagnose, Therapie und Pflege so zu gestalten, dass alle Beteiligten jederzeit wissen, wie gehandelt werden muss?

Erkennen die Betroffenen, die mit immer mehr Vorschriften leben müssen, die Zielsetzung, die hinter diesen Gesetzen, Verordnungen und Normen stecken oder ist die Reaktion nicht häufig ein Kopfschütteln über den fehlenden Praxisbezug?

Die Forderung lautet, dass Regelungen wirklich „generell“ sind, wenn diese für alle am Prozess Beteiligten anwendbar sein sollen; die Vorfahrtsregelung gilt ja auch für alle und nicht nur für die Verkehrsteilnehmer, die keine Lobby haben.

Wenn dann noch vermutet werden darf, dass Kostensenkung und Risikoabwälzung statt optimaler Prozesssteuerung im Vordergrund stehen, wird das Dilemma deutlich:

  • Regelungen sind nicht prozessübergreifend, sondern werden oft von Interessen Dritter beeinflusst.
  • Es fehlt die Einbindung von Anwender- und Nutzerkompetenzen in die Prozesse der Normen- und Regelsetzung.

 

Hierzu äußerte sich Manfred Kindler, Vizepräsident des KKC e.V. bereits vor einiger Zeit wie folgt:

Eine bessere Strategie für die Handhabung von komplexen Systemen ist die Einrichtung von „selbstregulierenden Einheiten“, die mit ausreichender Kompetenz und Eigenverantwortung

vor Ort sofortige, sorgsam abgestimmte Reaktionen auf beobachtete Systemänderungen

durchführen können. Die Natur wendet dieses Rezept schon seit Jahrmillionen mit Erfolg an.

Kompetenz und Eigenverantwortung? Wir sollten uns auf die erprobten Werte der früheren

Zeiten besinnen, als nämlich noch die permanent verfügbare Qualifikation der hauseigenen

„Kernkompetenzen“ in Gestalt der gut geschulten und praxiserfahrenen Pflegekräfte,

Medizintechniker, Haus- und Betriebstechniker vor Ort zugreifbar war. Diese konnten sich mit einem gesunden Menschenverstand, ausreichend Ressourcen und vernetzt mit den anderen Dienstleistern als Team primär um das Wohl der Patienten kümmern und hatten nicht ständig die kommerziellen Kenngrößen im Nacken. Heutzutage werden sie durch zunehmenden Arbeitsdruck in den Burnout getrieben oder gleich gänzlich „outgesourct“.

Wienböker stellt abschließend fest:

  • Ein Gesundheitssystem, muss dem Patienten dienen und nicht eine überbordende Bürokratie und Regelungswut fortschreiben.
  • Eine „Qualitätsoffensive“ wird nur dann nachhaltig und erfolgreich sein, wenn diejenigen mitentscheiden, die täglich und vor Ort seit Jahren gute Arbeit leisten.
  • Dann ist auch genügend Geld vorhanden und es müssen keine Arbeitsplätze gefährdet werden!

Der KKC e.V. und seiner Mitgliedverbände werden sich hierzu deutlich positionieren, erklärt der Geschäftsführer und kündigt an, dass dieses ein Schlüsselthema auf der nächsten MEDICA sein wird.

 

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